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öffnet, in Anwesenheit des Regenten. Dabei
gaben die zentrale Lage und europäische Aus-
richtung des Landes mit seinen zahlreichen
Behörden im Kontrast zur tatsächlichen Be-
völkerungszahl von damals rund 470.000 Ein-
wohnern dem 2003 bestallten Intendanten
Matthias Naske keine leichte Aufgabe. Die
Strahlkraft des Programms musste inter-
nationalem Anspruch genügen und sich trotz
der schwierigen geografischen Lage rechnen.
Immerhin waren all diese Schwierigkeiten
schon in die Planung eingeflossen, denn
Wunschkandidat Naske bekam mit dem Ge-
bäude sozusagen ein Wunschkonzert: Die zu
bauenden Säle richteten sich nach dem ge-
planten Programm, nicht umgekehrt. Ein
Glücksfall für den Kulturmanager.
Zu Verdanken hat das Land seinen Vor-
zeige-Konzertsaal der Beharrlichkeit von Erna
Hennicot-Schoepges, die seinerzeit als Kultur-
und Bauministerin aus der musikalischen
Utopie ein realpolitisches Projekt machte.
Nun, da Naske das Haus nach insgesamt zehn
Jahren als Intendant übergeben wird, ist aus
dem Projekt ein eingespieltes Haus geworden,
und zwar eins mit Mut zum experimentellen
Risiko. Denn es war erklärtes Ziel, nicht das
x-te Prachtfestspielhaus für elitäre Zirkel aus
dem Boden zu stampfen, sondern den Spiel-
plan auf den Musikgeschmack der Gesellschaft
zu erweitern. Im Klartext heißt das, dass sich
große Sinfonik das Haus mit Jazz und Welt-
musik teilt, dass neben Starauftritten mit René
Galerie bewegt. Für Musiker muss es sich hin-
gegen herrlich anfühlen, sich so geborgen
in das Adagio eines Streichquartetts zu ver-
senken. Oder in die zarten Klangkaskaden
einer Jazzimprovisation, wie sie das Michel
Reis Trio gerade verströmt. Ein intimer
Rahmen, im besten Wortsinn. Für 320 ent-
spannte Zuhörer.
2005 wurde die Philharmonie, der Kon­
zertsaal des Großherzogtums Luxembourg er-
W
ie
in
das
Innere
einer
Schnecke, so tastet man sich
durch den gebogenen Gang
in den Kammermusiksaal der
Philharmonie, der in einer Kehre über die Zu-
schauerterrassen auf das Podium führt, über-
wölbt und akustisch unterstützt von einem
großen, weich abgerundeten Schirm. Kein
Glück für Zuspätkommer, der ganze Saal kann
einen anblicken, während man sich über die
Philharmonie
­Luxembourg 
Die Musterknaben
Wunschkonzert: kein Musentempel, sondern ein
Ort, der die Musik der Gesellschaft widerspiegelt.
In Luxemburg wagt man ein vielversprechendes
Experiment.
Von
Car sten Hinr ichs
Foto: Sébastien Grébille/Philharmonie
Wo Profis
spielen dürfen:
„Drumblebee“
mit Quatuor Beat
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