Saxofon. Ist das eine Erfindung der Firma Uni-
versal? Ah, „Timeless“ – die Platte habe ich nie
gehört. Einige Leute werden sich das wegen
Philip Glass gekauft haben und wurden dann
mit Merula konfrontiert. Das hat seine Be-
rechtigung. Meist finde ich den Mix der
Instrumentarien problematisch. Merula muss
mitteltönig gespielt werden, mit sehr tiefen
Terzen. Das funktioniert aber nicht bei Philip
Glass, da braucht es enharmonische Ver-
wechslungen. Ich finde, man verliert beim
Kompromiss zu viel vom Kern dieser Musik.
Reubke
Der 94. Psalm
Christoph Schoener an der Ladegast-Orgel,
Schwerin; 1992,
Mitra
In Orgelmusik arbeite ich mich
gerade intensiv ein, da kenne ich
mich noch nicht gut aus – obwohl
ich mit Orgelmusik groß ge-
worden bin. Ich habe im Kirchenchor ge-
sungen, und die Kantorin bei uns in Wilhelms-
haven war eine herausragende Organistin und
Improvisatorin. Die Internationale Orgel-
woche Nürnberg ist ja längst ein Festival vor
allem auch für geistliche Musik, der Orgelpart
wird vom Orgelwettbewerb geprägt, der einen
eigenen künstlerischen Leiter hat. Ist das
Reubke? Ein tolles Stück. Und eine schöne
Aufnahme, die spricht mich klanglich sofort
an. Ich habe hobbymäßig in jungen Jahren
viel Aufnahmeleitung gemacht und war
später bei sehr vielen CD-Produktionen
dabei, oft mit dem ehemaligen Chefton-
meister der VEB Deutsche Schallplatte,
Eberhard
Geiger.
Der
hat
inter-
pretatorisch viel Einfluss genommen,
von ihm habe ich viel gelernt.
Misirlou
traditionell /Dick Dale,
­„Fiction“
Quatuor Ebène; 2009,
Virgin Classics/EMI
Das ist nett und hat
seine
Berechtigung,
aber interessiert mich
nicht. Auch zu Pop-
songs gehört ein bestimmter
Klang. Wenn man sie für Streich-
quartett arrangiert, ist diese
Aura, die manche Aufnahmen
haben und die ich toll finde,
verschwunden.
Wenn
Bands
Klassik- und Jazzelemente in ihre Musik
einweben und wenn da Neues entsteht, finde
ich das interessant. Aber sogenanntes „Cross-
over“ finde ich fürchterlich.
man das so macht“, es ist ok …
Ich war so lange der Akademie für
Alte Musik Berlin als Bratscher und
Manager verbunden, das prägt schon sehr.
Überraschenderweise gibt es inzwischen eine
ganze Reihe Aufnahmen, die mir bekannt vor-
kommen, die aber nicht von der Akademie
sind. Bestimmte Aufnahmen waren stil-
bildend, auch generell die Art und Weise, mit
Musik umzugehen, da ist manches kaum vom
Original zu unterscheiden. Ich habe schon eine
sehr präzise Vorstellung von vielen Stücken,
aber ich lasse mich auch gern überraschen.
Was ich allerdings nicht ertragen kann, sind
Intonationsschwächen, vor allem, wenn ich
merke, die Musiker haben das Intonations-
system nicht begriffen. Es gibt eine unglaub-
liche Standardisierung in der Alten Musik,
dabei gibt es aus meiner Sicht noch viele
offene Fragen, gerade was die Besetzungen an-
geht. Es gibt Musiker, die sich damit im Detail
auseinandersetzen, dass man eine Corelli-
Sonate nicht auf der gleichen Geige mit den
gleichen Saiten spielen sollte wie eine Bach-
Sonate. Aber es gibt einen Mainstream, dass
man zum Beispiel alles auf dem Stimmton
415 Hz spielt, was historisch Unsinn ist. Man
meint vieles zu wissen, was man aber doch
nicht weiß … Das ist Hervé Niquet? Den schätze
ich sehr für französisches Repertoire. Ich finde,
es müsste französischer klingen. Interessant,
dass die Franzosen es sehr „englisch“ spielen.
Glass
The Windcatcher/Merula:
La Lusignola
„Timeless“, Lautten Compagney; 2008,
dhm/Sony
Das eine ist italienisch, 17. Jahr-
hundert, aber das andere kenne
ich nicht. Was spielt da über-
haupt, ein Zink und ein Marimba-
fon?
(wir hören in andere Stücke – im Wechsel
Merula und Glass – hinein)
Das ist doch ein
E
r war elf Jahre lang Manager und
Dramaturg der Akademie für Alte
Musik Berlin, war Partner einer
Künstleragentur und gründete 2006
gemeinsam mit Jochen Sandig das
RADIAL-
SYSTEM V
, den innovativen Konzert- und
Veranstaltungsort in Berlin. Aus dem Tages-
geschäft hat sich Folkert Uhde nun zurück-
gezogen, um sich ganz aufs Entwickeln
und Umsetzen neuer Programme und
Konzeptionen zu konzentrieren. Seit diesem
Jahr ist der 48-Jährige, der zuerst Radio- und
Fernsehtechniker gelernt und dann Musik-
wissenschaft und Barockgeige studiert hat,
künstlerischer Leiter der Internationalen
Orgelwoche Nürnberg.
Purcell
Dido und Aeneas
Pudwell, Harvey, Le Concert Spirituel,
Niquet; 2000,
Glossa/Note 1
Ich kann diese Ouvertüre nicht
hören, ohne das von Sasha Waltz
erfundene
Wasserbecken
in
meinem Kopf zu sehen und das
Plätschern des Wassers zu hören. Das war ja
meine erste Zusammenarbeit mit Sasha Waltz
und Jochen Sandig … Interpreten-Raten ist
mein Hobby, aber von Purcell gibt es so un-
glaublich
viele
Aufnahmen.
Erstaun­
licherweise wird nur bei relativ wenigen
Ensembles die Idee eines eigenen Stils, eines
eigenen Klanges, eines eigenen Umgangs mit
dem Repertoire erkennbar. (Wir hören in
mehrere Sätze hinein.) Hier kann ich nichts
Spezifisches identifizieren. Ich denke, es sind
englische Musiker, die Sänger sind jedenfalls
Muttersprachler … Eine gute Aufnahme muss
mich klanglich anspringen, ich muss in den
ersten fünf Sekunden gebannt sein. Sie muss
eine Mischung von sehr gutem Raumklang,
der zum Repertoire passt, und klanglicher
Plastizität sein. Der Rest ist Geschmack. Das
hier reißt mich nicht vom Hocker. Es ist, „wie
Blind gehört
Folkert Uhde
Vom Fernsehtechniker zum Festspielleiter.
Was Uhde am besten kann: mit Ideen zur Tat
schreiten.
Von
Arnt Cobber s
Foto: André Rival
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