9
oder größere Italienischkennt-
nisse folgen zu können glaubt. Ein
weiteres Anliegen der Einspielung
ist es, die originalen Stimm-
farben zu verwenden: So wird die
Partie der Norma nicht von einem
Sopran, sondern mit Bartoli selbst
von einer Mezzosopranistin ge-
sungen
–eine
Entscheidung,
die es erlaubt, die menschliche,
mütterliche Seite dieser schein-
bar so unnahbaren Figur wieder-
zuentdecken.
Normas
junge
Nebenbuhlerin
Adalgisa
wird
hingegen nicht wie so oft von
einem Mezzosopran, sondern
von einem Sopran gesungen, der
die Jugendlichkeit dieser Figur
betont. Und weil auch ihr ge-
meinsamer Geliebter Pollione
mit einem flexiblen Tenor be-
setzt ist, gerät das oft so wuchtige
Drama wieder ins Lot. Auch wenn
das neue Klangbild mit manchen
liebgewonnenen
Gewohnheiten
bricht – wenn sich Norma am
Ende des Dramas in die Flammen
wirft, dürfte sie zuvor eine große
Anzahl Belcanto-Verächter von
ihrem Irrglauben bekehrt haben.
Neu erschienen:
Bellini: Norma
(mit Bartoli, Jo, Osborne, Pertusi;
Antonini, Orchestra La Scintilla),
Decca/Universal
 Abonnenten-CD: Track 3
liegt daher auf der Hand, dass die
Wiederentdeckung des ursprüng-
lichen Belcanto-Ideals nur mit
Hilfe von starken Sängerpersön-
lichkeiten gelingen kann, die
neben dem historischen Wissen
auch die Ausstrahlung und das
kreative Potenzial ihrer Vorbilder
besitzen.
Spektakuläre Wiederbe-
lebung
Den
spektakulärsten
Versuch
zu einer Wiederbelebung des
Belcanto hat nun Cecilia Bartoli
gestartet: Zusammen mit dem
auf
historische
Aufführungs-
praxis des 19. Jahrhunderts spe­
zialisierten Orchester La Scintilla
unter dem Alte-Musik-Experten
Giovanni Antonini hat sie eine
Neuaufnahme
von
Vincenzo
Bellinis „Norma“ vorgelegt, die
Operngeschichte schreiben soll
– und es wohl auch tun wird.
Während die auf entspannte
430 Herz gestimmten Original-
instrumente der Partitur ihre
differenzierte, an Caspar David
Friedrich gemahnende Farbigkeit
zurückgeben, zeichnen Bartoli
und ihre Sängerkollegen die Ge-
fühlsregungen der Prota­gonisten
mit so klarer Deklamation und
so intelligent und differenziert
eingesetzten Verzierungen und
Klangfärbungen nach, dass man
der Handlung sogar ohne Libretto
Giuditta Pasta (1797–1865)
Hohepriesterin des
Belcanto
Wie problematisch die Anwendung
moderner Stimmfachgrenzen auf
historische Partien ist, das zeigt
das Beispiel von Giuditta Pasta. Der
italienischen Sopranistin, die für ein
gutes Jahrzehnt als die bedeutendste
Sängerin Europas galt, wurden so wichtige
Partien wie Bellinis „Norma“ oder Donizettis „Anna Bolena“ auf
den Leib geschrieben. Viele der Rollen, welche die Pasta aus der
Taufe hob, sind heute zu beliebten Streitrössern für dramatische
Koloratursoprane geworden. Von den Zeitgenossen hingegen
wurde die Pasta jedoch als ein Mezzosopran wahrgenommen,
der auch Noten, die jenseits der eigentlichen Grenzen dieses
Stimmfaches liegen, eine große dramatische Intensität zu ver-
leihen vermochte.
Written on
Skin
GeorGe Benjamin
Festspielpremiere
23.07.2013
prinzregententheater
BayeriSche
StaatSoper
Partner der Uraufführungen
der Bayerischen Staatsoper
Festspielkasse der Bayerischen staatsoper
marstallplatz 5 80539 münchen
t 089.21 85 19 20 www.staatsoper.de
1,2,3,4,5,6,7,8 10,11,12,13,14,15,16,17,18,19,...52