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erzbischof persönlich widmet. Denn dieser ist
ein glühender Verehrer der Rosenkranzandacht
und darüber hinaus auch ein Gründer der
frommen „Rosenkranzbruderschaft. Virtuose
Musik also, mit den besten Empfehlungen.
Himmelfahrtskommando für
Violine
Die 15 Mysterien aus dem Leben der Jungfrau
Maria, die zusammen den Rosenkranz bilden,
finden sich auch als kleine Kupferstiche zu
Anfang eines jeden Werkes im Manuskript –
von Mariä Verkündigung bis zur Krönung als
Himmelskönigin. Widmung und Vignetten
weisen die Sammlung als eine Art Meditations-
musik für die fürsterzbischöfliche Privat-
andacht aus. Spieltechnisch handelt es sich hin-
gegen um ein echtes Himmelfahrtskommando:
Biber zeigt seine Meisterschaft in allem, was
die süddeutsche und norditalienische Violin-
schule seiner Zeit an Virtuosität aufbringen.
Dazu gehört Drei- und Vierstimmigkeit auf
einem einzigen Instrument und Spiel bis
hinauf in die siebte Lage, außerdem setzt er
seinem Können mit einem relativ neuen Ver-
fahren ein klingendes Denkmal, der Skordatur,
dem bewussten Umstimmen der Saiten. Auch
dies eine versteckte Visitenkarte, – denn wer
außer Biber selbst hätte die Werke dem Fürst-
erzbischof vorspielen können?
Inwieweit sich die „15 Mysterien“ auch
programmatisch in der Musik abbilden, lässt
sich nicht mehr restlos klären. Aus der ersten
Sonate („Verkündigung“) meint man das
Rauschen der Engelsflügel Gabriels herauszu-
hören. In der sechsten Sonate („Christus am
Ölberg“) bringt Biber das Leiden Christi durch
einen Lamento-Bass zum Ausdruck, also eine
absteigende Basslinie. Unzweifelhaft deuten
harte Akkordschläge und die rollenden Be-
wegungen der zehnten Sonate („Kreuzigung“)
auf das Einschlagen der Nägel und das Erd-
beben nach Jesu’ Tod hin. Höhepunkt der
Sammlung ist aber die Passacaglia für un-
begleitete Violine, die am Schluss dieses
Oratoriums ohne Sänger steht. Ihre 65 Wieder-
holungen bieten der Violine abschließend
noch einmal Gelegenheit, sich solistisch
konzentriert darzustellen. Wie notierte Im-
provisation wächst der tastend langsame
Beginn über sich hinaus, schießt auf zu
Läufen, gebrochenen Akkorden, einer durch
Doppelgriffe erzeugten Mehrstimmigkeit.
Wie stets bei Barockmusik unterscheiden
sich die vorgestellten Aufnahmen nicht nur
durch die Virtuosität der Solisten, sondern
auch durch viele Entscheidungen bis hin zur
Besetzung des Continuo. Dürfen (und können)
sich die Mitspieler improvisatorisch im
Vordergrund sehen lassen? Und welche Klang-
ästhetik verfolgt der Violinist – vibratoarmes
Spiel oder romantische Klangsinnlichkeit?
Um gleich auf den letzten Punkt einzu
gehen:
John Holloway
ist ein Violinist,
druckender Geschwindigkeit – hier weiß einer,
wo er hinwill: ganz nach oben. 1684 sticht er
seinen schärfsten Konkurrenten Georg Muffat
aus, und der ehemalige Nobody wird Hof-
kapellmeister.
Sogar seine Kammermusik scheint Biber
im Kampf um das höchste musikalische Amt
des Erzstifts eingesetzt zu haben. 1676 entsteht
eine maßgeschneiderte Sammlung (später
unter dem Namen „Mysterien-„ oder „Rosen-
kranzsonaten“ bekannt), die Biber dem Fürst-
E
s kommt zu einem von langer Hand
vorbereiteten Skandal: statt in die
heimatliche
Residenz
Kremsier
zurückzukehren, begibt sich der
Olmützer Kapellmeister Biber, gerade auf der
Rückreise vom Besuch beim Tiroler Geigen-
bauer Jakob Stainer, direkt nach Salzburg und
nimmt dort den Dienst auf. Der Olmützer Erz-
bischof kocht vor Wut. Und Bibers Aufstieg
am Hof des Salzburger Fürsterzbischofs Max
Gandolf Graf Khuenburg gelingt in beein-
Hörtest
Biber: „Rosenkranz-
sonaten“
Verstimmt, in Gottes Namen: 15 Sonaten
und eine Passacaglia bilden das wohl größte
Kompendium des Violinspiels vor Bach.
Von
Car sten Hinr ichs